Ein Beitrag zum kulturellen Leben unserer Stadt

Ein Blick auf die Programme des Orchestervereins zeigt den weiten Bereich des Liebhabermusizierens. Stand das erste Konzert der Musik-Vereinigung Grünewald unter dem Zeichen der volkstümlichen Unterhaltungsmusik, so wurde im ersten Sinfoniekonzert des neubenannten Orchestervereins im April 1913 schon Beethovens Erste Sinfonie musiziert. Das Repertoire des Orchestervereins hat bis heute Werke aus fast allen Epochen der europäischen Musikgeschichte und alle Gattungen von der reinen Instrumentalmusik bis zur Oper, Operette und des Liedes umfaßt. Neben den eigenen Sinfoniekonzerten stehen bis heute regelmäßige Mitwirkungen bei Konzertveranstaltungen von Gesangvereinen in und um Solingen.


In der Erwerbslosenzeit half der Orchesterverein mit zahlreichen Wohltätigkeitskonzerten den bedürftigen Kindern Solingens. Wie sehr diese Hilfe benötigt wurde, geht aus einem Schreiben des „Reichsbundes der Kinderreichen" hervor, der 1926 darum bat, bei dem Ertrag, den ein Gemeinschaftskonzert mit dem Wupperhofer Männergesangverein einbrachte, berücksichtigt zu werden. „ Denn die Not des größten Teils unserer Mitglieder ist nicht zu beschreiben". Wiederum im Dienst der Wohltätigkeit in Gemeinschaft mit dem MGV Bergisch Land spielte das Orchester im November 1931. Max Roth, der bekannte Solinger Bariton, damals Kammersänger der Staatsoper Berlin, wirkte mit. Dieses Konzert, das wegen des großen Andranges unter Polizeischutz gestellt werden mußte, wurde drei Tage später wiederholt.

 

Immer hat sich der Verein besonders um die Förderung und Mitwirkung des Nachwuchses bemüht. So fällt in das Jahr 1933 das erste Auftreten des Jugendorchesters des Orchestervereins. In einer Werbeschrift bot der Verein an, „junge talentierte Musikbeflissene in das Wesen der Orchestermusik, der Tonkunst und der alten und neuen Musik einzuführen". Das Jugendorchester wurde zu mehreren Sendungen im Rundfunk herangezogen. Es darf als einer der Vorläufer der späteren Jugendmusikschule betrachtet werden. Auch heute noch ist der Orchesterverein für viele junge Musiker der Ort, Erfahrungen zu sammeln, ehe sie sich die Musikausübung zu ihrem Beruf wählen.


Welche Resonanz der Orchesterverein in den Jahren zwischen den Kriegen in unserer Stadt hatte, sieht man an der Tatsache, daß in den Jahren 1933 und 1934 Abonnements zu den Konzerten angeboten wurden und dem Verein für die geleistete Arbeit auf dem Gebiet des Liebhabermusizierens vom Reichsbund Deutscher Orchestervereine das Notenmaterial zu Beethovens siebter Sinfonie als erster Preis verliehen wurde.

Der Initiative des Orchestervereins ist es zu verdanken, daß nach 1952 auch in den Jahren 1977 und 1978 der Bund Deutscher Liebhaberorchester seine Bundestagung mit großem Erfolg unter Mitwirkung des Orchestervereins in Solingen durchführte.

Dem Orchesterverein gebührt das Verdienst, in Solingen die Initiative beim Musizieren für den Wiederaufbau der vernichteten Stadthalle ergriffen zu haben. Am 15. Juni 1957 musizierte der Verein in der neuen evangelischen Stadtkirche zugunsten des Fonds für den Wiederaufbau des Theater- und Konzertsaals.


Dieser unermüdliche Einsatz für die Musik und die Unterstützung für die musikalische Weiterbildung der Jugend, sowohl in den eigenen Reihen als auch bei der Verpflichtung von talentierten Solisten und das Bekanntmachen von zeitgenössischer Musik und ihren Komponisten sind wohl einige Merkmale gewesen, die dem Orchesterverein im Jahre 1984 zu einer besonderen Auszeichnung verholfen haben: Die Verleihung des Kulturpreises der Bürgerstiftung Solingen 600.

Diese Ehrung empfinden wir als Verpflichtung, in unserer Heimatstadt Solingen das Laienmusizieren auch in Zukunft intensiv zu pflegen.


Hans Werner Scherf